Besteuerung von Erträgen aus der Plattformwirtschaft: ein zentrales digitales EU-Meldesystem für Einkommensdaten?1
Text: Daisy Ogembo, Vili Lehdonvirta
Immer mehr finanzielle Transaktionen im Bereich der Plattformarbeit werden online abgewickelt. Das stellt Steuer- und Sozialversicherungssysteme vor neue Herausforderungen. Gibt es bereits Optionen für ein EU-weites Meldesystem? Und sind weitere Fragestellungen bei der weiteren Diskussion zu beachten?
Internetplattformen wie Uber, Airbnb, Deliveroo und Upwork haben sich zu einer neuen Einkommensquelle für Privatpersonen entwickelt. Aus unterschiedlichen Gründen lässt sich die Größenordnung der Plattformwirtschaft jedoch nur schwer beurteilen, u. a. weil sie häufig als Quelle für Nebeneinnahmen dient und die erzielten Einkünfte nicht durchweg den Steuerbehörden gemeldet werden.2 Schätzungen gehen davon aus, dass die Gig-Ökonomie 3 2015 allein in der Europäischen Union Einkünfte in Höhe von 3,6 Milliarden Euro generiert hat, und Online-Outsourcing dürfte Prognosen zufolge im Jahr 2016 auf 4,8 Milliarden US-Dollar anwachsen.4 Manche Plattformen bieten Arbeit gegen Entgelt, während auf anderen Dienstleistungen angeboten oder Eigentum verliehen werden kann. Diese neuen Einkommensquellen stellen die Steuer- und Sozialversicherungssysteme vor neue Herausforderungen. In besonderem Maße gilt dies für Arbeitsplattformen, die sogenannte Gig-Ökonomie.
Plattformarbeit bezeichnet jede Arbeit, die über eine Plattform oder auf einer Plattform erbracht oder von einer Plattform vermittelt wird und im Rahmen verschiedenster regulärer und atypischer Beschäftigungsformen und Arbeitsverhältnisse geleistet werden kann.5 In der Regel basiert diese Art zu arbeiten darauf, dass die betreffenden Personen befristete Arbeitsverhältnisse haben oder separate Aufträge erledigen, die jeder für sich bezahlt werden, weniger jedoch auf einem Beschäftigungsverhältnis bei einem Arbeitgeber.6 Plattformarbeit umfasst sowohl ortsgebundene Arbeitseinsätze in der Gig-Ökonomie, beispielsweise über Plattformen wie Uber und Deliveroo angebotene Taxi- und Essenslieferdienste, als auch webbasierte Plattformarbeiten wie Grafikdesign und Dateneingabe über Plattformen wie Fiverr und Upwork.
Plattformarbeit schafft zwar nicht in bedeutendem Umfang neue Arbeitsplätze, sie wächst jedoch rasant. Einer Studie zufolge ist Plattformarbeit für etwa zwei Prozent der Erwachsenen in 14 EU-Mitgliedstaaten die Haupteinnahmequelle, bis zu acht Prozent erzielen mit ihr Gelegenheitseinkünfte.7 Plattformarbeit hat daher auf den europäischen Arbeitsmärkten Fuß gefasst.
Besteuerung und soziale Absicherung von Plattformtätigen
Die rasante Entwicklung von Plattformen stellt die politischen Entscheidungsträger vor neue Herausforderungen, denn die neuartigen Möglichkeiten der Arbeitsorganisation stellen infrage, wie wir Steuern und Sozialversicherungsbeiträge erheben. Es besteht mithin die Gefahr, dass ein großer Teil der Plattformarbeit nicht im vollen Umfang besteuert wird und dass Plattformarbeiter*innen nicht adäquat durch die Systeme der sozialen Sicherheit geschützt sind, mit künftigen nachteiligen Auswirkungen sowohl für die betroffenen Personen als auch die öffentlichen Finanzen.8
Die Schwierigkeiten bei der Besteuerung sowie der sozialen Absicherung von Plattformarbeiter*innen sind zum Teil auf den komplizierten Beschäftigungsstatus dieser Personen zurückzuführen. In den meisten, jedoch nicht in allen Fällen gelten Plattformarbeiter*innen als selbstständige Auftragnehmer*innen.9 Die steuerliche Compliance von Selbstständigen ist tendenziell deutlich geringer als die von betriebszugehörigen Personen, deren Löhne und Gehälter dem Steuerabzug durch den Arbeitgeber unterliegen. Diese Tatsache ist in der Fachliteratur zum Thema Steuerhinterziehung gut belegt.10 Compliance-Verstöße von Selbstständigen sind oftmals eine Folge aus dem Zusammenwirken verschiedener Faktoren, darunter hohe Befolgungskosten und das unbeabsichtigte Erklären zu niedriger Einkünfte. Häufig haben Selbstständige geringe steuerliche Kenntnisse, kämpfen mit komplexen Vorschriften und können sich hohe Befolgungskosten wie die Kosten eines qualifizierten Buchhalters oder Steuerberaters nicht leisten. Sie haben zudem mehr Gelegenheit zu richtiggehender Steuerhinterziehung, da es für sie einfacher ist, ihre Einnahmen zu niedrig anzusetzen, ihre abzugsfähigen Ausgaben aufzubauschen oder gleich ganz in der Schattenwirtschaft zu arbeiten.
„Es besteht mithin die Gefahr, dass ein großer Teil der Plattformarbeit nicht im vollen Umfang besteuert wird und dass Plattformarbeiter*innen nicht adäquat durch die Systeme der sozialen Sicherheit geschützt sind.“

Plattformarbeit wie z. B. bei Essenslieferdiensten wächst rasant. Mit Blick auf Besteuerung und soziale Absicherung stellt dies politische Entscheidungsträger*innen vor neue Herausforderungen. Foto: Daisy Daisy/Shutterstock.com
Zusätzlich zu diesen grundsätzlichen Herausforderungen wird die steuer- und sozialversicherungsrechtliche Compliance von Plattformarbeiter*innen dadurch erschwert, dass sie häufig gleichzeitig – und womöglich zu unterschiedlichen Bedingungen – an mehreren Aufträgen beteiligt sind und daher selbst in ein und demselben Land mehr als einen Beschäftigungsstatus haben können. Plattformarbeiter*innen können außerdem ihre Arbeitskraft in zahlreichen Staaten anbieten und daher Einkommen erzielen, die in mehr als einem Staat steuerpflichtig sein und in diesen Staaten unterschiedlichen Regelungen zur Abzugsfähigkeit von Aufwendungen unterliegen können. Eine weitere Schwierigkeit tritt hinzu, wenn auf Erwerbstätige mit Plattformeinnahmen eine progressive Einkommensteuer angewendet werden soll, und zwar bereits innerhalb eines Staates und ganz besonders bei grenzüberschreitenden Fällen. Abschließend werden diese Schwierigkeiten in der EU noch dadurch verstärkt, dass die die Plattformen betreibenden Unternehmen häufig in einem Drittstaat ansässig sind.
Die rasche Verbreitung von Plattformarbeit und anderen Arten von Plattformeinnahmen stellt für die Steuer- und Sozialversicherungsbehörden bei der Mobilisierung von Einnahmen eine beträchtliche Herausforderung dar und könnte, wenn sie nicht sachgerecht geregelt wird, zu einem Anstieg der Schattenwirtschaft beitragen. Die Nichteinhaltung geltender Vorschriften könnte zudem zu einem unfairen Wettbewerbsvorteil für Unternehmen führen, die Plattformarbeit und plattformbasierte Möglichkeiten, Unterkünfte oder andere Dienstleistungen anzubieten, nutzen. Wenn ein erheblicher Teil der Bevölkerung keine Sozialabgaben oder Versicherungsbeiträge entrichtet, zu wenig Steuern zahlt und ungenügend Altersvorsorge betreibt, wird dies letzten Endes schwerwiegende Auswirkungen auf die Fähigkeit der nationalen Sozialversicherungssysteme haben, öffentliche Güter und Sozialleistungen bereitzustellen, während der Bedarf an solchen Leistungen zunehmen wird.11
Modellierung eines zentralen digitalen Meldesystems auf EU-Ebene
Als Antwort auf diese Herausforderungen haben einige EU-Mitgliedstaaten Maßnahmen eingeleitet, um direkt bei den Plattformgesellschaften Daten über die Einnahmen von Plattformnutzer*innen zu erheben. Im vorliegenden Beitrag haben sich die Autor*innen zum Ziel gesetzt, zunächst Fallstudien zu entwerfen, die die Maßnahmen dreier Mitgliedstaaten zur Erhebung von Einnahmendaten bei Plattformen beschreiben, und anschließend die Machbarkeit einer Verlagerung dieser nationalen Maßnahmen mithilfe eines „zentralen digitalen Meldesystems“ auf EU-Ebene zu prüfen, mit dem die automatisierte Meldung von Einnahmendaten seitens der Plattformen und die Weiterleitung dieser Daten an nationale Steuer- und Sozialversicherungsbehörden zwecks Steuer- und Beitragserhebung gemäß den nationalen Vorschriften vereinfacht würde.
Die Fallstudien sollen die auffallendsten Aspekte jedes Falls hervorheben und die Entwicklungsgeschichte, die Beweggründe, die Zielsetzungen, die Gestaltungsmerkmale und die Funktionalitäten der Datenmeldesysteme sowie die maßgeblichen Akteure, die administrativen und infrastrukturellen Voraussetzungen, die Kosten und gegebenenfalls die Evaluierungsergebnisse aufzeigen. Anschließend wurde eine fallübergreifende Analyse durchgeführt, um festzustellen, welche möglichen Gewinne und welche Schwierigkeiten oder Risiken zu erwarten sein dürften, wenn die nationalen Einzelanstrengungen durch ein Konzept auf EU-Ebene ersetzt würden. Auf Grundlage der Ergebnisse schlagen die Autor*innen zwei alternative Modelle für ein zentrales digitales Meldesystem auf EU-Ebene vor.
Die drei für die Fallstudien ausgewählten Länder waren Dänemark, Estland und Frankreich. Diese Länder wurden wegen der unilateralen Maßnahmen ausgewählt, die sie zur Einführung von Meldesystemen zur Gewinnung von Einkommensdaten bei Plattformen mit dem Ziel der Steuer- und Beitragserhebung ergriffen haben.
Ergebnisse
Auf Grundlage der Fallstudien gelangen die Autor*innen zu der Auffassung, dass die Entwicklung eines EU-weiten Meldesystems für Einkommensdaten mehrere Vorteile hat:
Erstens stellt die Erhebung von Einkommensdaten bei einer ausländischen Plattform ohne eine eingetragene Unternehmenspräsenz oder Betriebsstätte im Land für alle drei Länder der Fallstudie ein Problem dar und dürfte für alle Mitgliedstaaten eine beträchtliche Hürde sein. Mit einem zentralen digitalen Meldesystem würden sie ihre Befugnisse und Einflussmöglichkeiten bündeln, um Druck auf ausländische Plattformen dahin gehend auszuüben, EU-weite Anforderungen zu erfüllen.
„Ein zentrales digitales Meldesystem würde es Mitgliedstaaten ermöglichen, ihre finanziellen und technischen Ressourcen zu bündeln und ein kosteneffizienteres System zu schaffen.“
Zweitens ist die Entwicklung einer anspruchsvollen automatisierten API-basierten Meldesystemanwendung, die sich durch niedrige Befolgungs- und Wartungskosten auszeichnet, ein kostspieliges Unterfangen. Während die Kosten und die Technologie für Mitgliedstaaten mit höheren Einnahmen wie beispielsweise Dänemark noch im Rahmen des Möglichen liegen dürften, sind sie für andere Mitgliedstaaten womöglich nicht leicht zu finanzieren und nur schwer erreichbar. Ein zentrales digitales Meldesystem würde es Mitgliedstaaten ermöglichen, ihre finanziellen und technischen Ressourcen zu bündeln und ein kosteneffizienteres System zu schaffen.
Drittens ist offensichtlich, dass die Länder der Fallstudien sich bei der Entwicklung ihrer unterschiedlichen Meldesysteme für Einkommensdaten bereits in einer fortgeschrittenen Phase befinden und dass andere Mitgliedstaaten ähnliche Maßnahmen ergreifen dürften. Während diese Herangehensweise für Plattformen, die nur im Inland aktiv sind, möglicherweise kein Problem darstellt, würden staatenübergreifend tätige Plattformen von einem zentralen digitalen Meldesystem für Einkommensdaten profitieren, da sie nicht 28 verschiedene Meldesysteme und -regelungen nutzen und befolgen müssten. Außerdem würden niedrigere Befolgungskosten das Wachstum kleiner inländischer Plattformen begünstigen und ihnen eine Expansion in andere Mitgliedstaaten erleichtern, ohne dass sie zusätzliche Befolgungskosten schultern müssen. Dieses Wachstum und diese Expansion wären positiv für Innovationen in Europa.
Den Autor*innen sind jedoch auch die beträchtlichen Hindernisse bewusst, die der Umsetzung eines so ehrgeizigen Systems entgegenstehen. Die größten Hindernisse sind nach wie vor die mangelnde Harmonisierung der Systeme der Einkommensbesteuerung und der sozialen Sicherung in der Europäischen Union und die Tatsache, dass die Einkommensbesteuerung nicht in die Zuständigkeit der EU fällt. Außerdem gehen eine Ausweitung des Austauschs oder eine zentralisiertere Speicherung der Daten der einzelnen Steuerpflichtigen mit dem Risiko häufigerer oder schwerwiegenderer Datenschutzverletzungen einher.
Fazit
Vorläufig könnte die praktikabelste Herangehensweise darin bestehen, dass jeder Mitgliedstaat weiter die Entwicklung eigener Lösungen verfolgt. Zu gegebener Zeit dürfte sich unter dem Dach bereits bestehender Vereinbarungen über den Datenaustausch, wie z. B. des Standards für den verpflichtenden automatischen Informationsaustausch, zwischen den zuständigen Behörden spontan ein Datenaustausch ähnlich dem Netzwerkmodell entwickeln. Die Bestrebungen der FP / 097-Arbeitsgruppe zur Entwicklung eines standardisierten Datenschemas werden dabei zu weiteren Fortschritten beitragen. Ein zentrales digitales Meldesystem mit einer Nabe-und-Speichen-Architektur würde zwar die Bündelung von Ressourcen und Durchsetzungsvermögen erlauben und könnte die Compliance vereinfachen, setzt jedoch die Schaffung einer neuen Rechtsgrundlage im Unionsrecht voraus – eine noch in weiter Ferne liegende Perspektive. Es könnte auch sein, dass das Netzwerkmodell letzten Endes dazu führt, dass ein Mitgliedstaat als „Knotenpunkt“ fungiert, und in diesem Szenario wären möglicherweise statt neuer EU-Rechtsvorschriften nur Änderungen an bestehenden Vereinbarungen über die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch in Steuersachen erforderlich.